Die Dopingrepublik - eine (deutsch-)deutsche Sportgeschichte by Rotbuch-Verlag
Autor:Rotbuch-Verlag
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rotbuch-Verlag
veröffentlicht: 2012-09-12T16:00:00+00:00
10. KAPITEL
DIE DREIGESTREIFTE WELT
»Ich war der Überzeugung, dass der Posten des
IOC-Präsidenten nicht käuflich sein sollte.«
Lord Killanin, von 1972 bis 1980 sechster Präsident
des Internationalen Olympischen Komitees
Damit selbst im Kalten Krieg niemals Sand ins Getriebe der deutsch-deutschen Sportkumpanei geraten konnte, bedurften deren empfindliche Rädchen stets eines zuverlässigen Schmiermittels: Geld! Im Klartext: Devisen, vor allem jene aus Westdeutschland, waren in der DDR stets sehr willkommen. Um Devisen ging es auch 1986 während eines wunderschönen Spätsommertages in einem Büro am Berliner Schlossplatz. Auf dem Schreibtisch des DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker lag am 25. August jenes Jahres ein Bericht, den das Ministerium für Staatssicherheit zuvor mit dem Vermerk »Streng vertraulich« versehen hatte. Er umfasste sieben engbeschriebene DIN-A4-Seiten und behandelte nur ein einziges Thema: Juan Antonio Samaranch. Der sorgfältig abgefasste Bericht aus der Normannenstraße offenbarte sich als äußerst spannende Lektüre: Der erste Mann des Weltsports, stand dort geschrieben, führe als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees sein erlauchtes, bislang unabhängiges, weil selbstbestimmtes Gremium »wie ein Börsenmakler«, und zwar dank einer kleinen Clique, »die über Macht und Geld« verfüge und alle Möglichkeiten ausnutze, »um mit Hilfe des Geldes ihren Einfluss noch zu vergrößern«.
Was Honecker da erstaunt las, war nicht nur überaus sorgfältig recherchiert, sondern bezog sich obendrein auf eine Quelle, die in der DDR ebenso angesehen war wie in der Sowjetunion – und wie in der westlichen Welt: auf Berthold Beitz, Aufsichtsrat des Hauses Krupp in Essen und Vizepräsident des nunmehr mit fester spanischer Hand rüde geführten IOC. Das Dossier bezog sich auf ein kurz zuvor in Ostberlin mit Beitz geführtes internes Gespräch, in welchem sich der Topmanager aus dem Westen ohne jegliche diplomatische Zurückhaltung darüber ausließ, wie »selbstherrlich« der katalanische Grande Samaranch über große Summen entscheiden würde, ohne zuvor die Finanzkommission zu befragen. Also jene IOC-Kommission, als deren maßgebliches Mitglied auch Berthold Beitz agierte. Aussagen, die noch heute deshalb erstaunen, weil es in der deutsch-deutschen Sportpolitik im August 1986 nicht gerade zum Besten stand. Kennern der olympischen Szene, ob in Moskau oder Madrid, schienen die deutsch-deutschen Beziehungen ausgerechnet in jenem Sommer 1986 ganz besonders gespannt zu sein. Und so las Honecker, wie berichtet wurde, recht verblüfft, dass ausgerechnet Samaranchs Stellvertreter in Sachen olympischer Finanzpolitik die Linie seines Chefs »nicht länger verantworten könne«.
Beitz, so kommentierte damals der MfS-Beamte »Möwe« in besagtem Dossier, fordere deshalb von den DDR-Funktionären massive Unterstützung im Kampf gegen Samaranch. Honecker soll an dieser Idee durchaus Gefallen gefunden haben, wie mir im Frühjahr 1990 der DDR-Sportführer Manfred Ewald anvertraute, und musste damals, in seiner Eigenschaft als Präsident des Nationalen Olympischen Komitees der DDR einen entsprechenden Bericht für das SED-Politbüro anfertigen. Dieses Papier landete bereits nach sechs Tagen, und trotz dieser kurzen Zeitspanne wurde es überaus penibel ausgeführt, in Honeckers Büro – doch Samaranch blieb im Amt. Nichts rührte sich gegen ihn. Weder in Ost- noch in Westdeutschland oder andernorts.
Ob es an Moskau gelegen hat, wo man den früheren spanischen Attaché ganz besonders zu schätzen gelernt hatte und wo man ihm einst auch dabei behilflich gewesen war, den IOC-Thron zu erklimmen – wer weiß? Vielleicht bediente man
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